Die WSR Sommergeschichte 2024
Es ist nie zu spät!
Helmut Ladner, ehemaliger Triathlet, fixes Mitglied unserer Wander- und Radgruppe, meist unser Schnellster, hat uns einen Bericht über seine große Sommeraktivität geschickt. Fazit: wer immer in Bewegung bleibt und sich bewusst ernährt, der kann auch in reiferen Jahren noch Neues und Herausforderndes wagen. Respekt und herzlichen Glückwunsch, lieber Helmut!
Auf dem Grimming – Ein Herzenswunsch geht in Erfüllung
Bad Mitterndorf hat für mich schon seit meiner Jugend eine besondere Bedeutung. Meine Familie hat diesen Ort im Salzkammergut sehr bald entdeckt und häufig frequentiert. Im Alter von 15 Jahren war ich zum ersten Mal mit meinen Eltern in diesem idyllischen Ort. Zu diesem Zeitpunkt waren die Fremdenzimmer noch ziemlich einfach ausgestattet. Wasser im Krug und ein Lavoir auf einem Eisengestell. Toilette und Dusche, für alle, am Gang. Aber die Gegend war damals schon großartig. Besonders beeindruckt hat mich der mächtige Bergstock des Grimming, der schon die Römer fasziniert hat. Ein Berg, der quasi aus der Ebene solitär mit einer Höhe von 2.351m in die Höhe ragt. Er gehört geographisch zum Dachsteinmassiv und ist wie dieses aus Kalkstein. Daher gibt es auf diesem Berg auch kein Wasser, weil dieses sofort versickert und schroffe Felsformationen zurücklässt. Wahrscheinlich gibt es auch im Grimming, so wie im Dachstein Tropfsteinhöhlen, diese sind allerdings bis jetzt nicht erschlossen. 1958 haben mir meine Eltern ein Moped, eine Puch DS 50 für zwei Personen gekauft. Da war die Freude natürlich groß und noch im selben Jahr bin ich damit nach Bad Mitterndorf gefahren. Das waren damals rund 300km auf der „17er“ Bundesstraße, inklusive Semmering, mit einer Fahrzeit von rund 11 Stunden. Die Familie ist mit dem Zug angereist. Die Zimmer waren wie gehabt, aber das Flair des Salzkammerguts hat das locker wettgemacht. Viele Ausflüge in der Umgebung und immer wieder Blick auf den Grimming. Jahre später hatte ich mit dem Schilanglauf begonnen und der „Steiralauf“ in Bad. Mitterdorf war ein Pflichttermin. 50km mit Umrundung des Ödensees, erst „klassisch“, dann „skaten“. Vor mir stets faszinierend der Grimming, aber eine Winterbesteigung wäre unmöglich gewesen. So habe ich ihn Jahr um Jahr aus der Ferne betrachtet und mich an seiner Mächtigkeit erfreut.
Dieses Jahr, 2024, habe ich beschlossen, meinen Traum spät aber doch zu verwirklichen und den Grimming zu besteigen. Sehr einladend sind die Beschreibungen der Touren ja nicht. Zuerst ein paar Kilometer Anmarsch bis zum Kulm mit einer der größten Schisprungschanzen, wo Weiten bis 120m erreicht werden. 1400 Höhenmeter hinauf und hinunter liegen vor mir. Um 05:00 Uhr ist Start, 10 Stunden soll die Tour dauern.
Mein Begleiter Sepp Ranner ist jugendliche 68, Bergführer aus Bad Mitterndorf. Er war ungezählte Male auf dem grimmigen Berg, das vermittelt Sicherheit. Ich werde mit Beckengurt und Seil gesichert.
Der Aufstieg mündet bald in einen Klettersteig. Das war natürlich eine besondere Herausforderung. Es ist interessant, wie man sich auf diese Art der Fortbewegung einstellt. Dazu muss ich sagen, dass ich bis auf die Brandschneide und ein paar Plateauwanderungen auf der Rax und dem Fadensteig auf den Schneeberg keine wirkliche Bergerfahrung habe. Meine Sportarten waren immer andere. Nach diesem sehr heftigen Teil geht es in Serpentinen über ein riesiges Geröllfeld, früher ein Gletscher, bis zum nächsten Einstieg, der nicht minder heftig war. Wieder gab es länger Kletterpassagen, die sehr fordernd waren. Da es weder Wasser noch Bewirtschaftung gibt, muss man alles mitnehmen. Mit zwei Bananen, vier Müsliriegel und drei Litern elektrolythaltigem Wasser sowie Ersatzkleidung bin ich gut ausgekommen. Die Markierungen wurden erst vor kurzem erneuert, somit war der Weg immer klar ersichtlich. Nach ein paar Passagen, die mit Stockeinsatz zu bewältigen waren, begann das letzte Viertel, wieder eine fordernde Kletterei bis knapp unter den Gipfel, wo sich auch ein Notbiwak befindet. Beim Gipfelkreuz trifft sich Jung und Alt. Natürlich dürfen die Eintragung ins Gipfelbuch und die Fotodokumentation nicht fehlen! Eine Route von Südosten ist noch schwieriger, aber mir hat der Anstieg von Norden absolut gereicht, um mir meinen großen Wunsch zu erfüllen. Das Wetter war mit 20 bis 24 Grad und wenig Wind sehr angenehm. Nach kurzer Rast ging es bergab, im wahrsten Sinn des Wortes. Wenn links und rechts die Felswände senkrecht abfallen, ist das für einen Flachländer schon eine Herausforderung! Ich stieg voraus, gesichert vom Bergführer. Die schwierigsten Passagen waren für mich nicht die Klettersteige, sondern die Geröllhalden, die unweigerlich zum Ausrutschen führen. Selbst mein Bergführer blieb nicht verschont. Aber ich wollte es ja so haben.
Interessant ist, dass ich mich an die Abfolge und die einzelnen Passagen des Abstiegs nicht mehr genau erinnern kann. Im letzten Teil durch Latschen und Waldstücke machten sich die Anstrengungen des Tages bemerkbar. Die Konzentration lässt nach, Wurzeln und Geröll werden nicht mehr bewusst wahrgenommen, der ein oder andere Ausrutscher ist vorprogrammiert, gestürzt bin ich nicht. Nach elf Stunden kommen wir zu Ausgangspunkt zurück. Ich bin müde, aber sehr glücklich. Die Knie melden sich mit leichten Problemen. Zurück am Campingplatz ist mein erster Weg unter die Dusche.
Am nächsten Vormittag treffe ich meinen Bergführer und bei einer Tasse Tee rekapitulieren wir unsere Eindrücke und können eine. Positive Bilanz des Bergabenteuers ziehen. Als besonderes Kompliment werte ich die Aussage von Sepp, der meinte: „Ich war schon mit vielen Leuten auf dem Grimming, aber noch nie mit einem 82jährigen, der so eine Leistung vollbracht hat“.
Mein Traum von der Besteigung des Grimming hat sich nach 66 Jahren erfüllt!